Stellungnahme zur Klinikdiskussion von Dr. Markus Wagner, Chefarzt der Klinik Seefeld
Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Seefeld,
Neutralität und Objektivität sind ein besonderes und wichtiges Gut nicht nur in der Medizin, sondern auch im politischen Handeln. Bei politischen Entscheidungen möchte jeder, ähnlich wie in der Medizin, die beste Behandlung/Entscheidung vom besten Arzt/Experten erhalten. Ich weiß, die Geschicke und Zukunftsplanung für die beiden Kliniken Seefeld und Herrsching in allen Bereichen in ausgewiesen und professionellen Händen, möchte aber bezüglich der Entscheidungsfindung für das Ratsbegehren am 27.Juni nun noch folgende ärztliche und medizinischen Tatsachen und Überlegungen einbringen:
Die Klinik Seefeld existiert seit 1864 und ist seinem Grunde nach eine chirurgische Fachklinik mit 72 Betten. Es sind zwar mehrfach Zu-, An- und Umbauten erfolgt und Dank der Mitarbeiter in allen Bereichen befindet sich das Krankenhaus in einem tadellosen Zustand und ist ausgestattet mit modernsten Gerätschaften. Dennoch sind die Grundstrukturen nicht mehr sachgemäß; Patientenzahlen und auch die Anzahl der Mitarbeiter sind stark gestiegen. Medizinische und bautechnische Normen haben sich erheblich geändert; die Klinik Seefeld „platzt aus allen Nähten“.
Das ist das Eine. Das Andere ist, dass eine Klinik, die an der Grund- und Regelversorgung der Region teilnimmt und für die Daseinsvorsorge der Bürger und Bürgerinnen verantwortlich sein soll, als Mono-Fachklinik Chirurgie nicht mehr zeitgemäß ist. Die Patienten werden nicht nur viel älter, sondern auch um vieles kränker, was die Zusammenarbeit mit einer internistischen Abteilung und auch weiteren medizinischen Abteilungen unabdingbar macht.
Die bestehenden Vorgaben der Politik richten sich an die Mindestanforderungen in der Struktur- und Prozessqualität und zielen darauf, die Ergebnisqualität zu verbessern.
Erfüllen Krankenhäuser oder medizinische Abteilungen diese Qualitätsstandards nicht, dürfen entsprechende Leistungen/Operationen nicht mehr erbracht werden. Eine, wie ich finde, für Patienten prinzipiell gutzuheißende Entwicklung, denn wer möchte nicht eine optimale und qualitätskontrollierte Behandlung erhalten – siehe oben – und eben auch der Mensch ist ein Wesen, welches schützenswert ist!
Krankenhäuser, die diese Vorgaben nicht erfüllen können, werden schließen müssen. Dies kondensiert sich in der bekannten „Bertelsmann“ Studie und ist seit längerem bundespolitischer Wille und Vorhaben. Andererseits hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig unsere Kliniken für die Versorgung sind und wie adäquat Deutschland diesbezüglich ausgestattet ist. Es gilt also einerseits, Kliniken fit und leistungsfähig zu halten beziehungsweise zu machen, andererseits die Flächenversorgung nicht zu gefährden.
All dies macht den Zusammenschluss der Kliniken Seefeld und Herrsching nicht nur sinnvoll, sondern ist zu fördern und stellt darüber hinaus eine „win-win“ Situation für alle, beide Kliniken und Patienten, dar.
Zurück zum Klinikneubau und zur Standortdiskussion, zu der ich mich zwar nicht äußern muss, da diese bei den Entscheidungsträgern in professionellen Händen liegt. Ein Letztes bleibt allerdings nochmals zu wiederholen und zu betonen: Sollte ein Zu- oder Ausbau in Herrsching, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich sein und in der Gemeindeflur Seefeld keine funktionierende Alternative existieren, dann wird es mittelfristig aus dargelegten Gründen keine sinnvolle Zukunft für die Kliniken geben. Damit wird ein ärztlicher und pflegerischer Kompetenzverlust einhergehen, der nicht wieder gutzumachen sein wird. Die Mitarbeiter beider Kliniken leisten nicht nur die Grund – und Regelversorgung, sondern erbringen in vielen Bereichen hochspezialisierte Medizin auf höchstem Qualitätsniveau, von dem unsere Patienten wohnortnah profitieren. Ein Verharren in alten Bau- und inadäquaten Strukturen sowie ein Hoffen, es wird schon ein „Weiter so“ geben, wird sich nicht erfüllen. Die umliegenden Kliniken können aus Kapazitätsgründen den Standortverlust nicht kompensieren und Patienten werden weite Wege in die Großstadt machen müssen, für Behandlungen, die sich Vorort bestens abbilden lassen.
Die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde haben am 27. Juni die wohl einzigartige Chance, die Voraussetzung für ein modernes Krankenhaus mit zahlreichen medizinischen Abteilung wie Kardiologie, Gastroenterologie, Unfallchirurgie etc. zu schaffen, welches die optimale Versorgung des westlichen Landkreises in Zukunft sichern wird.
Dr. med. Markus Wagner, Chefarzt in der Klinik Seefeld